Frankreichs jüngster Aufsteiger am
Akkordeon setzt sein Instrument
unkonventionell ein und stellt es in
eine unkonventionelle Umgebung.
Mit dem Saxophonisten Emile Pa-
risien war er schon im Duo oder
auch bei Drummer Daniel Humair
zu hören, ansonsten präsentiert er
sich hier mit Musikern unterschied-
licher Couleur an Fender-Rhodes,
E-Bass, jazzrockigen Drums und Ef-
fekten. Peiranis Credo, auf dem Ak-
kordeon lasse sich jede Musik spie-
len, bringt eine Stilpalette hervor,
die (oftmals im selben Stück) von
Fusion a la 7oer-Jahre bis zu Folk-
oder Klassik-Anleihen reicht - und
im Ablauf schon mal zu Durchhän-
gern führt.
klm
MUSIK ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
Manuel Valera And
The New Cuban Express
IN MOTION
Cr iss Cross/Harmonia Mundi CD
(63')
Mit welchem Feuer kubanische Pia-
nisten den Modern Jazz aufmisch-
ten, lässt sich leicht aus einigen mu-
sikalischen Biographien ablesen,
angefangen bei Chucho Valdes bis
hin zu David Virelles. Manuel Vale-
ra führt diese Traditionslinie weiter.
Für die komplexen Themen des Pia-
nisten, die hohe Anforderungen an
seine Band stellen, ist die Bläser-
gruppe mit dem exzellenten Trompe-
ter Alex Sipiagin und dem Saxopho-
nisten Yosvany Terry bestens auf-
gestellt. Sie kontrastiert die origi-
nelle Pianistik Valeras, der packen-
de Motive zum Austausch mit der
heißen Latin Percussion verwendet.
G.F.
MUSIK ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
Gilad Atzmon & The O rient House
Ensemble
THE WHISTLEBLOWER
Fanfare/Harmon ia Mundi CD
(47')
-A
1
Aki Rissanen & Jussi Lehtonen
Quartet
WITH DAVE LIEBMAN
h ]
Ozella Music/Galileo CD
~~
(60’j
Wenn es um die politische Situ-
ation in seinem Heimatland Isra-
el geht, redet Gilad Atzmon Klar-
text: Schon seit Langem setzt sich
der jetzt in London lebende Saxo-
phonist, Komponist und Autor für
die Rechte der Palästinenser ein.
Insofern ist es folgerichtig, wenn
er „Gaza Mon Amour“ an den An-
fang seiner aktuellen CD stellt.
Schnell verfliegt der Eindruck,
bei dem folkloristischen Thema
handele es sich um einen bana-
len Weltmusik-Exkurs. Atzmons
leidenschaftliche Sopran-
und
Altsaxophon-Einsätze führen seine
Band zu abenteuerlichen Improvi-
sationen.
G.F.
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
_____________
Verneri Pohjola
BULLHORN
Edition/Soulfood CD
Modern Jazz fiel in Finnland schon
immer auf fruchtbaren Boden. Als
Indiz dafür eignen sich zwei Neu-
erscheinungen aus dem Land der
Mitternachtssonne, die es in sich
haben. Aufgrund des hohen Stan-
dards der finnischen Jazz-Szene
musste der amerikanische Saxo-
phonist Dave Liebman gar nicht erst
dazu überredet werden, als Star-
gast in einem von dem Pianisten
Aki Rissanen und
dem Drummer
Jussi Lehtonen geleiteten Quartett
mitzuwirken. Bis auf Liebmans fei-
erliches „Pastorale“ und einem vor-
züglichen Arrangement von Clare
Fischers „Pensativa“ stammen die
Jack Dejohnette
MADE IN CHICAGO
ECM/Universal CD
(77')
dem offen“, erinnert sich Dejohnet-
te, „er wollte alle Formen von Im-
provisation und Komposition erfor-
schen und entdeckte sie mir, Ros-
coe, Joseph Jarman und Malachi Fa-
vours. Vor allem aber erkannten wir
einander so als musikalische Indivi-
duen.“ An Experimentierfreudigkeit
fehlt es auch heute nicht: Mitchell
wechselt vom Sopranino-Saxophon
Was für ein Line-Up: Henry Thread-
gill und Roscoe Mitchell an Saxo-
phon und Flöte, Muhal Richard Ab-
rams am Flügel, Larry Gray am Bass
- und nicht zuletzt Jack Dejohnette
an den Drums! Man muss gar nicht
nachzählen, um zu ermessen, wie
viele Jahre an gelebter Musik da
zusammenkommen: Denn hier ver-
sammelt sich die Keimzelle der Chi-
cagoer Szene, die zu den Brücken-
köpfen des freien Jazz zählte - und
zählt. Immerhin handelt es sich um
einen Live-Mitschnitt anlässlich des
„35th Annual Chicago Jazz Festi-
val 2013“.
Jack DeJohnette hatte seine Kolle-
gen dorthin eingeladen, eine Reuni-
on nach über 50 Jahren, als sie (bis
auf Larry Gray) in Muhal Richard Ab-
rams „Experimental Band“ zusam-
menspielten. „Muhals Tür stand je-
Das DR-Logo gibt den Dynamikumfang des Tonträgers an. Nähere Infos unter www.stereo.de
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JAZZ
acht weiteren Stücke von den Lei-
tern der Gruppe. Bereits das Intro
„Scriabin“, dem eine allumfassen-
de Kunstform anstrebenden rus-
sischen Komponisten gewidmet,
lässt aufhorchen: Es ist ein drama-
turgisch äußerst reizvolles Stück, in
dem ein mit starken Rhythmen un-
terlegtes Motiv zum eigentlichen
Thema führt. Es entsteht im inspi-
rierten Wechselspiel zwischen dem
Pianisten und dem hier Sopransax
spielenden Liebman.
Auch auf der CD von Verneri Poh-
jola ist Aki Rissanen mit von der
Partie. Warum der mit phantasie-
vollen Chorussen glänzende Trom-
peter bei uns bislang nur Kennern
vertraut ist, bleibt rätselhaft. Auch
er brilliert mit einer Combo, die
aber um nur wenige Musiker ver-
stärkt - im Septett in „The End Is
Nigh“ - wie eine Big Band klingen
kann. Vielleicht ändert dieses The-
ma und andere, die wie „Another
Day“ und „Cold Blooded“ mit schil-
lernden Klangbildern und epischen
Improvisationen angereichert sind,
im positiven Sinne etwas an Pohjo-
las Bekanntheitsgrad.
G erdFiltgen
MUSIK (BEIDE)
KLANG (BEIDE) ★ ★ ★ ★ ★ “
!
zur Barockflöte, Threadgill und er
blasen sich buchstäblich die See-
le aus dem Leib. Dazwischen tau-
chen Abrams gejagte Tastenkürzel
auf. Das Publikum tobt!
Erstaunlich, wie frisch die Mu-
sik aus dem Umfeld des AACM, der
Association for the Advancement
of Creative Musicians, heute noch
ist. So ist diese Scheibe ein Lehr-
stück an freier Jazzimprovisation,
als dessen Kehrseite auch Leer-
und Bruchstellen eines Live-Auf-
tritts anschaulich werden, wo ein
Thema auszufransen oder sich ein
neues allzu zaghaft zu bilden be-
ginnt. All das gehört dazu. „Made
In Chicago“ ist etwas für jene, die
dem Jazz noch im offenen Entste-
hungsprozess lauschen wollen.
T ilm a n U rbach
MUSIK
KLANG
Auf „Made In Chicago" zelebriert
Drummerlegende Jack Dejohnette
gemeinsam mit Kollegen aus
Chicago Avantgarde-Jazz.
ü
STEREO 3/2015 131